Offene Beziehung … ist das alles?

Was mir am Begriff der offenen Beziehung anfangs aufgestoßen war, war die scheinbare Fokussierung auf das Körperliche. Ich empfand fast so etwas wie Enttäuschung: Das sollte schon alles ein? Gelegentlich mal mit jemandem anders Sex haben? Ich hatte gedacht, dass es um etwas viel Tieferes ging, nämlich um das Andocken an Dritte, um das Öffnen der Seele und das Hereinlassen von Anderen in den inneren emotionalen Bereich der Paarbeziehung. Vielleicht ist das aber auch zu einfach gedacht – immerhin kann Sex sehr tief sein, kann eine große innere Verbindung herstellen. Oder andersherum: Nur bei einer starken emotionalen Connection wird Sex auch richtig gut, so dass es eben nicht mehr “nur Sex” ist, sondern etwas Besonderes.

Und warum? Ist es nicht genug, eine Partnerin oder einen Partner zu haben, mit dem diese starke Verbindung besteht? Ja, ist es. Oder: Kann es sein. Es ist wie mit so vielen Bedürfnissen: Der Grundbedarf kann recht schnell bedient werden – ich finde, dass sich die Analogie Essen gut eignet: Der Hunger ist gestillt, sobald man etwas isst. Man könnte sich anderen Dingen zuwenden und das Thema Essen abhaken. Man kann aber mit Essen auch mehr erreichen als nur ein Gefühl von Sattheit. Man kann es in seiner Tiefe erkunden, neue Geschmäcker entdecken, mal etwas Mutiges probieren, feststellen, was man nicht mag, auch mal etwas angeekelt ausspucken, manches Andere schätzen und lieben lernen, den eigenen Geschmack und die Wahrnehmung von Nuancen trainieren. Lieblingsgerichte finden. Exotische Speisen probieren. Selber kochen. Ein “besserer Esser” werden, Essen auf höherem Niveau betreiben, vielleicht sogar zelebrieren. Das Thema Hunger und Sättigung tritt in den Hintergrund: Erkunden und Entdecken ist viel Spannender. Die Welt ist groß und aufregend, die Möglichkeiten enden nie.